Velina DeMarlet
Lira & Borun

Myratha - Lira & Borun

Ein Wandererzähler. Ein Mädchen mit einer Stimme. Eine Welt voller Magie.

Myratha – eine Welt, geboren aus Licht, Magie und uralten Kräften. Fünf Völker, fünf Ursprünge – und Geschichten, die das Leben selbst formen. Borun, ein alter Korlok und Meister der Erzählkunst, zieht durch das Land, um Erinnerungen zu bewahren. Doch als ihm die junge Lira zur Seite gestellt wird – neugierig, wortreich und voller Fragen – beginnt eine Reise, die mehr ist als nur ein Weg von Dorf zu Stadt. Gemeinsam durchqueren sie Landschaften voller Wunder, begegnen Klirn, Lunari und Thalrakar, erleben Feste, Geheimnisse und die leise Kraft der Magie, die zwischen den Dingen lebt. Und während Lira lernt, was es heißt, Geschichten nicht nur zu erzählen, sondern sie zu spüren, beginnt auch Borun zu begreifen, dass Erinnern allein nicht genügt – man muss weitergeben, was lebt. Eine Geschichte über das Erzählen, das Zuhören – und die Magie, die in Worten wohnt.

Das Buch ist noch nicht erhältlich, aber die Reise hat bereits begonnen.

Stand per: 25. Mai 2025

Myratha - Lira & Borun - Leseprobe

Ein Funke in der Schwärze des Universums. Er flackerte. Bettete sich in den Raum, umhüllte sich mit Zeit. Wurde größer. Mächtiger. Staubkörner sammelten sich um ihn, wirbelten, kreisten, verschmolzen, banden sich aneinander, tanzten um einen wachsenden Kern.
Und etwas wuchs. Nahm Gestalt an.

Berge schoben sich aus dem Gestein, formten Gebirge und Täler, Flüsse schlängelten sich durch das junge Erdreich, füllten Seen und Meere.

Über der jungen Welt stand Eldra – die Sonne, deren Licht die Oberfläche wärmte und das Leben weckte. Zwei Monde kreisten um sie – Luneth, silbrig hell, und Morai, dunkler, bläulich, fast violett – und beide leisteten ihr auf ihrer Bahn um Eldra Gesellschaft.

Doch auch etwas anderes floss durch alles, durchdrang den Boden, flirrte durch die Luft, glomm in den Nebeln, badete im Licht und weckte das, was noch schlief.
Magie.

Myratha war geboren.
Sie wartete. Still und perfekt im Gleichgewicht. Und der Funke brannte hell in ihrem Inneren.

Ein riesiger Ozean breitete sich aus, umspannte die Welt – blau, kühl und klar. Aus seiner Mitte erhob sich ein einzelner Kontinent, mächtig und namenlos.

Im südlichen Binnenland, zwischen Hügeln und weiten Wiesen, lag ein fruchtbares Land, durchzogen von Bächen und kleinen Wäldchen, die sich bis zu einer Landzunge am Meer erstreckten. In einem versteckten Tal, wo das Wasser nie stillstand, sprudelte ein Quell über moosbedeckte Steine – Prillith. Sein Glitzern legte sich auf Felsen und Gras, und diesem Glitzern entsprangen die Klirn, klein, mit kurzen, spitzen Ohren, strubbeligem Haar und wachen Augen. Sie waren flink, neugierig und voller Bewegung – und um sie herum tanzte das Licht wie kleine, quecksilbrige Tröpfchen. Mit Händen, die nie stillhielten, begannen sie zu bauen, zu tüfteln, zu verbessern, was ihnen begegnete.
Sie hörten den Klang von Wasser, Rädern und Dampf – und fanden darin ihren eigenen Takt. Ihre Werkstätten wuchsen aus Stein und Holz, verschraubt mit Ideen und versiegelt mit Neugier. Sie lebten dicht beieinander, lachten viel, stritten leise – und vergaßen nie, wie alles begann.

Im Westen, bis hin zum Meer, zogen sich lichte Laubwälder über die Ausläufer des Vorgebirges. Das Land wurde grün, frisch und lebendig. Zwischen den kleinen Bergen, dort, wo sich Wälder in ein ruhiges Tal senkten, zogen sich Flüsse durch das Land. Das Wasser schimmerte zwischen den Bäumen und der Boden war weich, dunkel und fruchtbar. Der erste Sonnenstrahl, der Myratha je berührte, traf die Krone des mächtigen Baumes Ilyathar. Aus dem Licht, das durch seine Blätter fiel, entstanden die Lunari – wachsam, naturverbunden, mit klaren Augen und dem feinen Gehör für das, was wächst, ruht und sich verändert. Sie wanderten durch das grünende Land, barfuß und still, lauschten dem Wind, folgten den Pfaden der Tiere und richteten ihre Behausungen dort ein, wo Bäume sie willkommen hießen. Wo sie gingen, blieb die Erde unversehrt. Ihre Spuren verwuchsen mit Moos, und die Wälder nahmen sie auf – nicht als Fremde, sondern als Teil ihres Kreislaufs.

Im Nordwesten ragten felsige Gebirge auf, bewachsen von uralten Wäldern. Moos bedeckte das Gestein, dichte Baumkronen verdeckten den Himmel, und Nebel füllten die Täler, als wollten sie das Land in Schweigen hüllen. In den Schatten dieser Berge, zwischen den Bäumen, hob sich ein gewaltiger Felsen aus der Erde – Tor Drok. Und als das erste Grollen durch das Gebirge fuhr, brach etwas aus ihm hervor. Aus Stein und Erde wurden die Korlok geboren – groß, pelzig, mit breiten, kräftigen Schultern, einem bärenhaften Antlitz und dem Herzschlag der Berge in ihrer Brust. Sie trugen die Kraft des Felsens, die Ruhe des Nebels und die Stille der alten Bäume in sich. Ihre ersten Schritte hallten wie Donner, aber sie blieben. Sie bauten keine Städte, sondern Stätten – tief in den Fels, breit in den Wald. Sie lebten in Clans, die einander trugen, stritten mit Ehre und feierten mit Liedern und Flammen. Ihre Geschichten wuchsen wie Wurzeln – langsam, stark, und nie allein.

Weiter im Osten erstreckte sich das Land sanft bis zum Meer. Grüne Hügel erhoben sich in der Landschaft, Wiesen leuchteten unter jungem Licht. Glitzernde Bäche sprangen über Steine, mächtige Flüsse wanderten durch die Ebenen, auf der Suche nach dem Meer. Dort, wo Wasser, Licht und Erde sich berührten, wurden die Menschen geformt – aus dem fruchtbaren Boden, durch die Strahlen der Sonne, durch Eldra selbst. Sie standen auf – neugierig, suchend, bereit, ihren Platz zu finden. Sie wanderten über das junge Land, folgten den Flüssen, bauten ihre ersten Feuer an den Ufern. Sie waren verschieden – in Haar, in Haut, in Stimme und Blick –, aber verbunden durch denselben Anfang. So wuchsen die Menschen in die Welt: neugierig, unvollkommen, lernfähig – und stets auf der Suche nach sich selbst.

Im Südosten war das Land flach, offen, beinahe leer. Gras wuchs in fahlen Tönen, das Licht war schärfer dort. Der Boden war salzig vom Wind, die Luft trocken, und das Wasser schmeckte nach Metall. Zwischen den fahlen Ebenen und dem offenen Meer zog sich eine lange Landzunge ins Wasser. Dort, wo die Gezeiten alles nahmen und kaum je etwas zurückließen, lag Oroth – ein einzelner, goldfarbener Klumpen, schwer und fest in den Sand gedrückt. Er war das Einzige, was das Meer nicht wieder zurückforderte. Und aus diesem Ursprung, geboren aus Salz, Licht und Entschlossenheit, zwischen Gischt und Glanz, entstanden die Thalrakar. Groß, drahtig, mit spitzen Ohren und schmalen Augen, geboren mit dem Blick für Wertvolles und dem Instinkt, es vor allen anderen zu finden. Sie wurden Händler, Seefahrer, Karawanenführer, Taktiker – und was als Gabe begann, wurde ihr Weg.

Aus Prillith, dem Ursprung der Klirn,
aus Ilyathar, dem Baum der Lunari,
aus dem Stein von Tor Drok, der die Korlok gebar,
aus Eldras Licht, das die Menschen weckte,
und aus Oroth im Meer, wo die Thalrakar sich formten –
aus all dem entstand Myratha.

Und so nahm sie Gestalt an – durch ihre Kinder, durch das, was sie wurden.
Die Welt war bereit. Und das Leben hatte begonnen.

Borun verstummte. Der Nachklang seiner letzten Worte verhallte über dem Dorfplatz. Es blieb still – als hätte niemand bemerkt, dass die Geschichte bereits zu Ende war. Die flackernden Lichter des Feuers spiegelten sich in seinen Augen, und der warme Wind spielte mit den Rändern seines groben Umhangs. Er stützte sich mit seinen Tatzen auf den Erzählerstab und ließ seinen Blick langsam über die Menschen wandern, die sich um das große Feuer versammelt hatten. Wie so oft war es die Legende von der Geburt Myrathas und ihrer Völker gewesen, die sie hatten hören wollen.

Nicht oft kam ein Wandererzähler wie er in diese Gegend. Borun hatte die Gabe, seine Erzählungen lebendig wirken zu lassen – nicht nur durch Worte, sondern durch das, was zwischen ihnen geschah. Seine Stimme trug Bilder, seine Gesten zogen Linien in die Luft, und wenn er sprach, schien der Wind stiller zu werden. Es war Magie – Magie, wie sie nur ein Meister hervorbringen kann.

Es dauerte einen Moment, bis sein Publikum in die Wirklichkeit zurückfand.
Ein kleiner Junge, der inmitten der Gruppe saß, rief plötzlich: „Und was ist mit der Darrak-Wüste und den Verbotenen Ländern, hoch oben im Norden?“
Sein Freund, der neben ihm saß, stieß ihm den Ellenbogen zwischen die Rippen und zischte ihn an: „Sei still, das bringt Unglück!“
Ein unruhiges Flüstern und Murmeln ging durch die Menge, man konnte das Unbehagen fast greifen. Trotzdem waren alle Blicke mit gespannter Erwartung auf den Wandererzähler gerichtet – man hörte nie etwas über diese Länder, höchstens vage Gerüchte und schreckliche Schauergeschichten.

Borun ließ einen Moment verstreichen, sein Blick blieb ruhig, doch etwas in seiner Haltung veränderte sich. Seine brummige, tiefe Stimme durchbrach die gespannte Stille, als er antwortete: „Es sind Gegenden, die nicht Teil der Legende sind – aber ich werde euch erzählen, was ich darüber weiß.“

Er strich sich durch das zottelige Fell unter seiner Schnauze und sprach weiter. Seine Stimme klang leiser als zuvor – ruhiger, aber fest, als wolle er sich selbst daran erinnern, dass es seine Aufgabe war, Wissen zu tragen, Erinnerungen zu bewahren und das zu erzählen, was sonst vergessen würde.

„Die Darrak-Wüste liegt im Südwesten. Jeder weiß, wo sie ist – und die meisten wissen genug, um ihr fernzubleiben. Sie ist heiß, trostlos und unbarmherzig.“
Borun sah einen Moment lang ins Feuer, ehe er weitersprach.
„Man sagt, am Horizont, dort, wo die Luft in der Hitze flimmert, sieht man manchmal seltsame Formen – nicht natürlich, nicht klar. Als würde dort etwas existieren, das verworfen wurde. Oder besser: nie entstanden wäre.
An den Ausläufern der Darrak, dort, wo der Sand in festen Boden übergeht, kann man Spuren finden – dreizehige Abdrücke mit scharfen Klauen, tief in den Fels geprägt, als hätte die Zeit keinen Zugriff auf sie.
Manche sagen, mitten in der Wüste liege ein Tal, verborgen zwischen Felsrücken und Sand. Fruchtbar, aber unzugänglich. Es soll die Heimat von etwas Altem sein – etwas, das schon zu Beginn der Welt alt gewesen war. Älter als die Zeit. Lange bevor die Völker entstanden.“
Borun ließ seinen Blick über die versammelte Dorfgemeinde schweifen und verweilte bei dem kleinen Jungen.
„Niemand geht freiwillig hinein. Und wer es doch tut… kehrt nicht zurück.“

Er atmete einmal tief durch, dann fuhr er fort.
„Die nördliche Gebirgskette… Man nennt sie Thornak. Sie erstreckt sich wie eine unüberwindliche Wand zwischen dem Land der Korlok und dem nördlichen Brakkelmeer. Eine Mauer aus Fels, Wind und Kälte. Niemand weiß, was hinter ihr liegt – und keiner hat je versucht, es herauszufinden. Es gibt keine Pässe. Keine Wege. Nur schroffe Klippen, tiefen Schnee und ein Schweigen, das selbst den Wind zum Verstummen bringt. Wenn ein Korlok von Thornak spricht, tut er es selten laut. Nicht, weil er sich fürchtet – sondern weil er weiß, dass manche Orte nicht angesprochen werden wollen.“

Borun machte eine Pause und ließ seinen Blick über die Zuhörer schweifen. Als er weitersprach, klang seine Stimme tiefer und trug einen dunklen Ton in sich, der die Luft kälter wirken ließ.

„Und wer denkt, Thornak sei das Ende… der hat noch nie von Narkh’Mor gehört.“

Ein dumpfes Raunen ging durch die Menge, selbst die Kinder spürten, dass etwas daran anders war als bei einer gewöhnlichen Geschichte.

„Narkh’Mor liegt ebenfalls im Norden, aber viel weiter östlich als das Thornak-Gebirge. Es ist ein Land ohne Wege, ein totes Land. Rote, staubige Erde, öde, gebrochen, durchzogen von tiefen Spalten, von denen man sagt, dass sie bis zum Mittelpunkt der Welt reichen würden. Und es ist voller Magie, aber keine Magie der Art, die uns bekannt ist. Es ist Magie, die keinen Ursprung in dieser Welt hat. Fremd. Störend. Man sagt, Narkh’Mor könne nicht durchquert werden, ohne dabei wahnsinnig zu werden. Es frisst deine Gedanken und saugt dir die Seele aus dem Leib…“

Nach einer kurzen, unangenehmen Stille fragte der Junge erneut:
„Und… was liegt jenseits dieser Orte?“
Doch noch während Borun nach einer Antwort suchte, meldete sich ein Mädchen:
„Kannst du das Lied von Myratha und ihren Kindern singen?“
Zustimmendes Gemurmel erklang von allen Seiten. Borun nickte. Das Lied zu singen war gewiss nicht seine liebste Aufgabe, aber immer noch besser, als zu erzählen, was sich jenseits der nördlichen Gebiete befand. Darauf hatte er nämlich keine Antwort. Und es war nicht gut für einen Wandererzähler, wenn er Fragen nicht beantworten konnte.

Er hob an und begann, mit seiner tiefen Stimme zu singen. Nach den ersten Klängen stimmten alle in das Lied mit ein:

Aus Eldras Funken, in schwarzer Nacht,
Magie war geboren, Myratha erwacht.
Magie durchzog, was einst begann –
aus ihr erwuchs, was leben kann.

Aus Prilliths Herz, verborgen fein,
im Glitzern klar, so silbern rein,
entstieg das Volk der Klirn gewandt,
mit wachem Geist und flinker Hand.

Magie durchzog, was einst begann –
aus ihr erwuchs, was leben kann.

Das erste Licht, so hell und klar,
beschien den Baum Ilyathar.
Aus seinem Glanz im Blätterdach
wurden die Lunari wach.

Magie durchzog, was einst begann –
aus ihr erwuchs, was leben kann.

Aus Tor Drok grollt’ der erste Laut,
die Erde barst, der Nebel graut.
Ein Bär trat fest aus Stein empor –
der Korlok war, das Volk geboren.

Magie durchzog, was einst begann –
aus ihr erwuchs, was leben kann.

Wo Licht und Wasser Erde fand,
von Eldra selbst, mit Sonnenhand
aus Lehm geformt, mit Blick nach vorn,
ward der erste Mensch gebor’n.

Magie durchzog, was einst begann –
aus ihr erwuchs, was leben kann.

Aus Oroths Macht im Wellenschaum
Aus Gold und Glanz und klarem Traum,
gewitzt und kühn, mit Händlersinn –
die Thalrakar geboren sind.

Magie durchzog, was einst begann –
aus ihr erwuchs, was leben kann.

Fünf Völker wuchsen, still und klar,
aus Myrathas Traum, der Anfang war.
Magie durchzog, was einst begann –
aus ihr erwuchs, was leben kann.

Für einen Moment war es still, nur in der Ferne hörte man einen Hund kläffen. Ein sanfter Wind strich durch die Bäume am Rand des Platzes und aus der Glut des Feuers stoben winzige Fünkchen in den Nachthimmel. Jemand begann zu klatschen – erst zögerlich, dann setzen andere ein, jemand pfiff und der Applaus dauerte an, bis der Dorfälteste um Ruhe bat.
„Danke, Borun. Das war mehr als nur eine Geschichte.“
Er legte zwei Silbermünzen in die breite Tatze des Wandererzählers und deutete mit einem leichten Kopfnicken auf das Gasthaus am Rande des Dorfplatzes.
„Das kleine Zimmer unter dem Dach ist frei“, sagte er. „Das Feuer brennt schon im Ofen und Wasser ist im Krug. Die Wirtin hat auch Brot und Käse für dich.“

Borun brummte ein kaum hörbares „hm“ und nickte dankend mit dem Kopf. Dann stützte er sich auf seinen Stab und streckte seinen Rücken. Er fühlte sich alt, sehr lange würde er diesen Beruf nicht mehr ausüben können. „Sollen es die Jüngeren doch machen“, dachte er sich. „Die haben noch die Energie und das Feuer.“

Wie es üblich war, ließ er einen kleinen Lederbeutel durch die Reihen wandern. Einige warfen Kupfermünzen hinein, andere ein paar Nüsse, getrocknetes Obst oder dankten schlicht mit einem respektvollen Nicken. Er nahm es, wie es kam. Wie immer.
Dann ging er langsam und auf seinen Stab gestützt, über den Platz – entlang der Zuhörer, die ihn immer noch wie gebannt anstarrten.

Es war Thiraval – jene Tage zwischen Frühling und Sommer, an denen die Grenzen zwischen den Dingen dünner schienen als sonst. Geschichten wirkten stärker in dieser Zeit. Worte hallten tiefer. Und nicht selten geschah etwas, das sich nur mit Magie erklären ließ.

Lichter hingen zwischen den Bäumen, kleine Flammen tanzten in bunten Gläsern und Musik war in der Ferne zu hören. Die Feierlichkeiten würden auch heute noch bis tief in die Nacht andauern – mit Tänzen, kleinen Gaben an die Ahnen und Geschichten, die weitergereicht wurden wie kostbare Schätze.

Doch Borun war müde. Er betrat das Gasthaus, stieg im flackernden Licht einer Öllampe die knarzende Holztreppe nach oben und betrat die kleine Kammer. Er schloss leise die Tür hinter sich, nahm den Krug mit Wasser, aß zwei Bissen vom Käse und streckte sich schließlich auf das einfache, aber warme Lager unter dem Dach. Das Knacken des Ofens und der Klang ferner Flöten begleiteten ihn in den Schlaf.

Draußen auf dem Platz feierte die Menge weiter. Die einen sangen, andere tanzten, manche erzählten ihre eigenen Geschichten am Rand des Feuers. Kinder liefen zwischen den Bäumen umher, hielten Laternen in den Händen, und irgendwo lachte jemand. Heute stand Luneth am Nachthimmel, sein silbriges Licht fiel sanft über den Dorfplatz. Er galt als Symbol der Erinnerung, der Weisheit und des Schutzes – und es schien, als wäre dies die richtige Nacht für eine Geschichte gewesen.

Myratha